Intelligente Bildverarbeitung – als Grundlage für autonome, reaktive und lernfähige Systeme in dynamischen Umgebungen
Veröffentlicht im November 2025
Intelligente Bildverarbeitung nutzt fortschrittliche Methoden der Künstlichen Intelligenz (KI) und des maschinellen Lernens, um visuelle Daten in Echtzeit zu analysieren, zu interpretieren und darauf zu reagieren. Dabei geht es nicht mehr nur um reine Erfassung und Speicherung von Bildinformationen, sondern um die Entwicklung lernfähiger Systeme, die sich an wechselnde Umgebungen anpassen und kontinuierlich aus neuen Daten lernen können. Diese Systeme kombinieren hochauflösende Bildsensoren mit leistungsfähigen KI-Algorithmen und sind in der Lage, komplexe Aufgaben wie Gesichtserkennung, Bewegungsanalyse und Objekterkennung zu übernehmen.
Anwendung findet diese Technologie in der Automobilbranche, wo intelligente Bildverarbeitungssysteme autonome Navigation durch das präzise Erkennen von Hindernissen, Fußgängern oder Verkehrszeichen ermöglichen. In der industriellen Fertigung erhöht die intelligente Bildverarbeitung die Qualitätssicherung durch automatisierte Fehlererkennung auf Produktionslinien. In der Medizin unterstützt die intelligente Bildanalyse die Früherkennung von Krankheiten, bspw. durch die automatisierte Auswertung von MRT- oder Röntgenbildern. Darüber hinaus gewinnt diese Technologie auch in der Sicherheits- und Überwachungstechnik zunehmend an Bedeutung, etwa für biometrische Zugangskontrollen oder Verhaltensanalysen.
Herausforderungen bestehen vor allem bei der Integration und Verarbeitung großer Datenmengen, bei der Sicherstellung der Echtzeitfähigkeit der Systeme sowie bei der Anpassung an unterschiedliche Lichtverhältnisse und komplexe Umgebungen. Hinzu kommen rechtliche Fragen, insbesondere bei der Nutzung sensibler personenbezogener Daten (z. B. Gesichtserkennung in öffentlichen Räumen). Der Trend zur intelligenten Bildverarbeitung macht deutlich, dass nicht nur technische, sondern auch gesellschaftliche und rechtliche Fragen entscheidend für die Akzeptanz und den nachhaltigen Einsatz dieser Schlüsseltechnologie sind.
Für die qualitative Analyse des Trends wurde die Annahme zugrunde gelegt, dass sich Thüringen zum Ende der 2020er Jahre zum Vorreiter im Feld der Intelligenten Bildverarbeitung in den Bereichen KI-gestützter Fertigung, Robotik und autonomer Mobilität entwickelt hat. Im Februar 2025 wurden im Rahmen eines Expertenworkshops mithilfe des Futures Wheels mögliche zentrale Entwicklungspfade des Trends identifiziert und unter Einsatz der Visual Roadmap ein Zukunftspfad entwickelt, der beschreibt, wie ein für den Innovationsstandort Thüringen positiver Zielpunkt im Jahr 2035 erreicht werden kann.
Ergebnisse des Futures Wheels
Im Rahmen des Futures Wheels wurde mit der Annahme gearbeitet: „Zum Ende der 2020er Jahre hat sich Thüringen zum Vorreiter im Feld der Intelligenten Bildverarbeitung in den Bereichen KI-gestützter Fertigung, Robotik und autonomer Mobilität entwickelt.“ Ziel war es, auf Basis dieser Annahme den Möglichkeitsraum zukünftiger Entwicklungen systematisch zu erschließen. Dabei wurden zwei zentrale Entwicklungspfade identifiziert, die unterschiedliche Potenziale und Herausforderungen für den Standort Thüringen aufzeigen.
Ergebnisse der Visual Roadmap
Im Rahmen der qualitativen Weiterentwicklung der im „Futures Wheel“ gewonnenen Erkenntnisse zur Annahme eines verstärkten Einsatzes von Robotik und KI in Thüringen wurden von den Experten drei Geschäftsmodelle identifiziert, mit denen im Jahr 2035 voraussichtlich wirtschaftlicher Erfolg generiert werden kann. Die Visual Roadmap zeigt den Zusammenhang zwischen (i) Anwendungen und Geschäftsmodellen, (ii) erforderlichen Technologien und (iii) gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die zur Erreichung eines für den Innovationsstandort positiven Zielpunkts erforderlich sind. Der Zeithorizont spannt sich von 2025 bis 2035.
Anwendungen und Geschäftsmodelle
| Entwickelte Geschäftsmodelle: | Produkte & Dienstleistungen: |
| Data-Center & Rechenzentrum Ein zukunftsweisendes Geschäftsmodell liegt im Aufbau und Betrieb leistungsfähiger, regional verankerter Rechenzentren. Diese stellen die notwendige digitale Infrastruktur für datenintensive Anwendungen bereit, etwa für die KI-gestützte Kartengenerierung, das Training autonomer Systeme oder die Verarbeitung multimodaler Sensordaten in Mobilität, Gesundheit und Produktion. Rechenzentren ermöglichen eine souveräne, DSGVO-konforme Datenverarbeitung und sichern gleichzeitig Wertschöpfung vor Ort. Für Thüringen ergibt sich daraus die strategische Chance, digitale Souveränität zu stärken und eigene Datennetze als Basisinfrastruktur für zukünftige Geschäftsmodelle bereitzustellen. |
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| Plattformanbieter/Cloud-Anbieter Ein skalierbares Geschäftsmodell ergibt sich aus der Rolle als Anbieter cloudbasierter Plattforminfrastrukturen für datenbasierte Dienste. Plattformanbieter koordinieren die Integration von Sensordaten, Steuerungssystemen und KI-Analytik und schaffen so die technische Grundlage für die sektorübergreifende Nutzung smarter Systeme. Die Plattformen agieren als intermediäre Struktur zwischen Datenquellen und Anwendern, bieten standardisierte Schnittstellen und ermöglichen eine modulare Erweiterung durch Software-Services. Für Thüringer Unternehmen ergibt sich damit die Möglichkeit, zentrale Schnittstellen im entstehenden Datenökosystem zu besetzen. |
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| Datenanbieter für KI-gestützte Fertigungsprozesse Ein geschäftliches Potenzial liegt in der spezialisierten Bereitstellung industriell nutzbarer Datensätze zur Verbesserung KI-gestützter Fertigungsprozesse. Datenanbieter sammeln, strukturieren und pflegen produktionsrelevante Daten mit hoher Qualität und regulatorischer Sicherheit. Ihre Angebote zielen auf Unternehmen, die lernfähige Systeme, digitale Zwillinge oder adaptive Produktionsplanung einsetzen wollen. Diese Anbieter nehmen eine Schlüsselrolle in datengetriebenen Fertigungsökosystemen ein und ermöglichen es, datenbasierte Wertschöpfung auch in kleinen und mittleren Unternehmen zu etablieren. |
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| Komplettlösungsanbieter im Bereich autonome Mobilität Ein umfassendes Geschäftsmodell ergibt sich aus der Fähigkeit, vollständige Systemlösungen im Bereich autonomer Mobilität bereitzustellen. Komplettanbieter verknüpfen Sensorik, Software, Fahrzeugtechnik und Cloudinfrastruktur zu einsatzfähigen Mobilitätslösungen – etwa für ländliche Regionen, Logistikdienste oder kommunale Verkehrssteuerung. Durch Integration und Standardisierung schaffen sie marktfähige Angebote, die komplexe Technologien für Anwender zugänglich machen. Thüringer Anbieter könnten sich damit als Systemintegratoren in einem wachsenden Mobilitätssegment profilieren. |
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| Thüringen als Komplettanbieter für adaptive Fertigungstechnologien Ein strategisches Geschäftsmodell ergibt sich durch die Positionierung Thüringens als Standort für adaptive Fertigungstechnologien mit hoher Modularität. Im Zentrum stehen skalierbare Sensorsysteme, intelligente AVT-Verfahren und flexible Softwarelösungen, die eine dynamische Anpassung an wechselnde Fertigungsbedingungen erlauben. Die Kombination aus Hardwareintelligenz, Schnittstellenstandardisierung und KI-gestützter Steuerung eröffnet insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen Zugang zu innovativen Automatisierungslösungen. Thüringen könnte hier als Gesamtsystemanbieter entlang der digitalen Fertigungskette sichtbar werden. |
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Rahmenbedingungen
Für die erfolgreiche Entwicklung und Markteinführung der antizipierten Geschäftsmodelle sowie der dazugehörigen Technologien, Produkte und Dienstleistungen sind grundlegende strukturelle und strategische Voraussetzungen erforderlich:
Infrastrukturaufbau und Sichtbarkeit: Zur Stärkung der regionalen Innovationsfähigkeit sind gezielte Investitionen in leistungsfähige Infrastruktur erforderlich. Der Bau eines Rechenzentrums in Thüringen wird als kritische Voraussetzung für datenintensive Anwendungen benannt. Flankierend sind Sensibilisierungsmaßnahmen notwendig, um die Sichtbarkeit und gesellschaftliche Akzeptanz eines solchen Rechenzentrums zu erhöhen. Der Zugang zu Rechenleistung wird somit als systemrelevanter Baustein für datengetriebene Geschäftsmodelle etabliert. Technologietransfer und Hochschulvernetzung: Der Technologietransfer aus Hochschulen in wirtschaftliche Anwendungsfelder spielt eine zentrale Rolle für die Marktdurchdringung neuer Sensoriklösungen. Die ZLV (Zentrale Landesverteilerstelle) der Hochschulen bildet hierfür eine institutionelle Schnittstelle. Transfer- und Gründerzentren sollen gezielt ausgebaut werden, um Ausgründungen, Kooperationen mit KMU und frühe Produktentwicklungen zu fördern. Innovationskultur und regulatorisches Experimentieren: Zur Erprobung sensorikbasierter Technologien und ihrer Systemintegration bedarf es flexibler Testumgebungen. Die Etablierung von Reallaboren, ermöglicht durch geeignete Experimentierklauseln, schafft Freiräume für technische Erprobung, partizipative Entwicklungsprozesse und regulatorische Annäherung. Thüringen kann hier durch modellhafte Pilotprojekte eine Vorreiterrolle einnehmen und zugleich Standards mitentwickeln. Clusterorientierte Wertschöpfung: Die Bildung und Weiterentwicklung wertschöpfender Cluster wird als Schlüssel zur nachhaltigen Regionalentwicklung verstanden. Durch den gezielten Aufbau regionaler Netzwerke zwischen Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Gründungsakteuren entstehen robuste Innovationsökosysteme, die langfristige Wettbewerbsfähigkeit sichern und neue Märkte erschließen helfen.
Technologien
Für die erfolgreiche Entwicklung und Markteinführung der antizipierten Geschäftsmodelle und dazu gehöriger Produkte und Dienstleistungen sind folgende technologische Voraussetzungen erforderlich:
| Technologische Voraussetzung | Herausforderungen |
|---|---|
| Multispektrale Sensorik und multimodale Bildgebung Ein zentrales Technologiefeld liegt in der Entwicklung multispektraler Sensoren (VIS–IR) sowie multimodaler Bildgebungssysteme, die Daten aus unterschiedlichen Quellen – optisch, thermisch oder radarbasiert – kombinieren. In Verbindung mit intelligenter Beleuchtung und multimodaler Datenauswertung entstehen Systeme mit hoher Präzision und breitem Anwendungsspektrum. | Kalibrierung heterogener Sensorquellen, Echtzeitverarbeitung großer Datenmengen, Synchronisation visueller und nicht visueller Informationskanäle. |
| Edge-Computing und dezentrale Rechenarchitekturen Für datenintensive Anwendungen – etwa bei autonomen Systemen oder Echtzeitüberwachung – sind leistungsfähige Hochleistungschips an der Netzperipherie erforderlich. Sie ermöglichen lokale Datenverarbeitung mit geringer Latenz. | Energieeffizienz unter Volllast, thermische Stabilität, Integration in Miniatur-Hardware. |
| KI-gestützte Steuerung und Navigation Die Kombination von KI-Werkzeugen mit präziser Navigation (Sensordatenfusion) bildet das Rückgrat adaptiver Systeme in Mobilität, Produktion und Logistik. Expertensysteme, die auf Sensordaten zugreifen, treffen Entscheidungen in komplexen, dynamischen Umgebungen. | Interpretierbarkeit von KI-Entscheidungen, Datenqualität aus heterogenen Quellen, Latenzzeiten bei der Entscheidungsfindung. |
| Kommunikationstechnologien und Konnektivität Für die sichere und latenzarme Übertragung sensorischer und maschineller Daten ist eine robuste Konnektivitätsinfrastruktur erforderlich. Insbesondere bei Mobilitätsanwendungen oder verteilten Sensorsystemen sind skalierbare Kommunikationslösungen zentral. | Netzstabilität bei hoher Auslastung, Schutz vor Zugriff Dritter, Interoperabilität zwischen Systemkomponenten. |
| Data-Center und digitale Infrastruktur für Rechenleistung Rechenintensive Sensoriksysteme benötigen lokal verankerte Data-Center mit hoher Speicherkapazität und performanter Infrastruktur. Sie dienen nicht nur der Datenverarbeitung, sondern auch als Sicherheitsanker für sensible Informationen. | Nachhaltiger Energieeinsatz, hohe Verfügbarkeit, Datenschutzkonformität. |
Wege in die Zukunft: Vom Innovationsraum zum Komplettanbieter adaptiver Technologien
Basierend auf diesem Möglichkeitsraum könnte Thüringen im Jahr 2035 das Land der digitalen Hidden Champions 2.0 werden und sich als Komplettanbieter für adaptive Fertigungstechnologie positionieren, bspw. mit adaptiven Robotern für diverse Einsatzgebiete. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es von zentraler Bedeutung Forschungsräume zur Verfügung zu stellen und neue Innovationszyklen zu unterstützen. Ausgangspunkt ist die konsequente Weiterentwicklung bildverarbeitender Technologien: Von multispektralen Sensorsystemen über hochintegrierte Edge-Chips bis hin zu KI-basierten Bildgebungs-, Navigations- und Steuerungssystemen entstehen neue Basistechnologien, die in vielfältige Anwendungen überführt werden. Besonders hervorzuheben ist dabei die sensorbasierte Echtzeitanalyse in Mobilitäts-, Logistik- und Instandhaltungskontexten sowie die Entwicklung lernender Systeme für Kartengenerierung und Zustandsüberwachung.
Diese Technologien münden in konkrete Produkte und Dienste: etwa in Form von Sensor-/Software-Kits für Mobilitätsanwendungen, Trainingssystemen für KI-Nutzung oder umfassenden Mobility-as-a-Service-Lösungen. Anwendungen reichen von autonomen Fahrzeugen über landwirtschaftliche und medizinische Robotik bis hin zu digitalen Zwillingen für städtische Infrastruktur. Dabei bilden Rechenzentren und datenintensive Plattformen das Rückgrat für diese Innovationen, sowohl in der Forschung als auch in der operativen Skalierung. Zur Realisierung dieses Potenzials sollte das zuvor empfohlene Trusted Data Center nicht nur als zentrale Infrastruktur im Gesundheitswesen, sondern auch als kritische Komponente für die Umsetzung der Vision Thüringens als „Land der digitalen Hidden Champions 2.0“ fungieren. Dieses Zentrum könnte insbesondere durch seine Expertise im sicheren Umgang mit sensiblen und hochkomplexen Daten eine Schlüsselrolle in der Entwicklung von adaptiven Fertigungstechnologien spielen. Die Plattform sollte Daten aus verschiedenen Industrien, wie etwa der Mobilitäts- und Logistikbranche, verarbeiten und für die Weiterentwicklung von KI-gestützten Bildverarbeitungs-, Navigations- und Steuerungssystemen zur Verfügung stellen. Dabei könnte das Data Center als interdisziplinäre Drehscheibe fungieren, die den sicheren Austausch und die Nutzung von Daten aus verschiedenen Sektoren ermöglicht – von der autonomen Fahrzeugtechnik über die digitale Landwirtschaft bis hin zu robotergestützten Wartungs- und Instandhaltungsprozessen. Durch den Einsatz fortschrittlicher Anonymisierungstechnologien und datenschutzkonformer Verfahren würde das Zentrum nicht nur zur Entwicklung von neuen Technologien beitragen, sondern auch das Vertrauen in datenintensive, KI-gesteuerte Innovationen stärken. In Kombination mit hochentwickelten Rechenkapazitäten könnte es Thüringen ermöglichen, nicht nur als Anbieter von adaptiver Fertigungstechnologie zu wachsen, sondern auch als Vorreiter in der sicheren und effektiven Nutzung von Daten in zukunftsweisenden Branchen. Zur Realisierung dieses Potenzials braucht es gezielte strukturelle Maßnahmen. Die Etablierung von Testfeldern, Reallaboren, Cloud-Plattformen und Plattformanbietern ist notwendig. Relevante Cluster, Hochschulen und Technologieträger müssen durch koordinierte Förderinstrumente verbunden und gestärkt werden. Die Entwicklung leistungsfähiger Rechenzentren, abgestimmt auf datenintensive Zukunftstechnologien, ist ein zentraler Baustein.
Langfristig kann Thüringen so seine Position als integrativer Akteur im globalen Innovationsraum autonomer Systeme sichern. Durch die Kombination aus Forschungsexzellenz, infrastruktureller Weitsicht und strategischer Standortpolitik wird es möglich, als Komplettanbieter für adaptive Fertigung und autonome Mobilität aufzutreten. Insbesondere die Fähigkeit, Produkte, Daten-Services und Anwendungen zu verzahnen, wird Thüringens Rolle im Markt differenzieren.
Diese Roadmap macht deutlich: Intelligente Bildverarbeitung ist weit mehr als ein technologisches Feld – sie ist ein strategisches Handlungsfeld für die Entwicklung neuer Wertschöpfungsketten, gesellschaftlicher Anwendungen und industriepolitischer Positionierung. Voraussetzung dafür ist jedoch ein bewusst orchestrierter Strukturwandel entlang von Technologie, Transfer, Infrastruktur und Governance.


