InnoVIEW: „Netzwerk heißt Vertrauen“ – ELMUG im Profil

Im Gespräch mit Ines Fuchs, Geschäftsstellenleiterin der ELMUG eG
Das Cluster für Elektronik, Mess- und Gerätetechnik (ELMUG ) bringt Unternehmen zusammen, fördert Innovation und schafft eine Plattform für Austausch und Kooperation. Warum sich eine Mitgliedschaft lohnt, welche Themen aktuell sind und wie die Zukunft aussieht – darüber sprechen wir im Interview.
Welche Rolle übernimmt ELMUG bei der Förderung von Innovationen in der Elektronik, Mess- und Gerätetechnik und welche Ziele stehen dabei im Vordergrund?
Fuchs: Mir geht es darum, ELMUG zu einer echten Plattform für Austausch und Zusammenarbeit zu machen. Unsere Mitglieder können hier Themen offen ansprechen – daraus entstehen praxisnahe Lösungen und neue Kooperationen. Mit Veranstaltungen wie dem Lösungsgenerator bringen wir Unternehmen, Forschung und Partner zusammen und öffnen Netzwerke bewusst über Branchengrenzen hinweg – von Sensorik und Elektronik bis zu IT, Medizintechnik oder neuen Themen wie Retrofit, digitale Produktpässe und Batterietechnologien. Genauso wichtig ist es, unsere Mitglieder frühzeitig mit kompakten Infos aus Politik und Wirtschaft zu versorgen und sie bei Fördermitteln, Fachkräften und Projekten zu unterstützen.
In welchen Spezialisierungsfeldern der RIS Thüringen ist ELMUG besonders aktiv und wo liegen die größten Chancen für Kooperationen?
Fuchs: Offiziell sind wir im Spezialisierungsfeld „Industrielle Produktion und Systeme“ verankert, praktisch sind wir viel breiter aufgestellt, weil Elektronik, Sensorik und Messtechnik Querschnittstechnologien sind. Unsere Mitglieder liefern Technologien in die verschiedensten Branchen – ob Automobil, Medizintechnik oder Maschinenbau. Damit berühren wir fast alle Spezialisierungsfelder.
Nehmen wir vorausschauende Wartung: Ein Sensor liefert Daten – aber was dann? Kunden brauchen Analysen und Handlungsempfehlungen: Was sagen die Daten über den Zustand der Maschine aus? Echten Mehrwert bringt die Sensorik erst in Kombination mit KI, Automatisierung oder Robotik. Diese Kompetenzen bündeln wir hier im Cluster.
Wie viele Mitglieder vereint ELMUG aktuell? Welche Branchen sind vertreten – und wie profitieren die Mitglieder von ihrer Zugehörigkeit im Cluster?
Fuchs: ELMUG zählt derzeit ca. 70 Mitglieder – 21 Genossenschaftsmitglieder sowie 50 Partner. Die Mehrzahl unserer Mitglieder sind Unternehmen, vom kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) bis zu forschungsnahen Betrieben. Aber wir haben auch Forschungsinstitute und Beratungen an Bord. Daneben gibt es strategische Partnerschaften, etwa mit dem Sensorikverband AMA. Solche Kooperationen transportieren Themen bundesweit und bringen gleichzeitig Marktwissen zurück ins Cluster.
Für unsere Mitglieder ergeben sich vier zentrale Vorteile: Sie erhalten schnell die wichtigsten Informationen, knüpfen neue Geschäftskontakte, bekommen Zugang zu Fachkräften und steigern ihre Sichtbarkeit – sei es über Veranstaltungen oder Social Media.
Wie würden Sie die Rolle Thüringens als Innovationsstandort im Bereich Elektronik und Messtechnik im bundesweiten Vergleich einschätzen und wo sieht das Cluster noch Entwicklungspotenzial?
Fuchs: Thüringen ist im Bereich Elektronik und Messtechnik sehr stark und bundesweit vorne. Wir liefern unser Know-how weltweit. Besonders der Ilm-Kreis entwickelt sich dynamisch, etwa mit CATL und vielen Zulieferern. Die größten Zukunftschancen liegen im Zusammenspiel mit neuen Technologien. Dafür haben wir in Thüringen beste Voraussetzungen: kurze Wege, engagierte Unternehmen und starke Forschung.
Mit welchen typischen Herausforderungen oder Innovationshemmnissen haben die Unternehmen in Ihrer Branche zu kämpfen?
Fuchs: Die Elektronik- und Messtechnikbranche kämpft mit denselben Themen wie viele andere: hohe Energiepreise, demografischer Wandel und daraus resultierender Fachkräftemangel. Den Rückgang der Studierendenzahlen in Ilmenau sehe ich kritisch, da er unsere eng mit der TU verbundenen Unternehmen direkt betrifft. Ein großes Problem sind zudem ständig wechselnde Regularien. Für KMU ist das ein enormer Kraftaufwand.
Hier bieten wir Unterstützung: Wir filtern die Vielzahl an Vorgaben, reduzieren sie auf das Wesentliche und entwickeln praxisnahe Handlungsempfehlungen. Ein Beispiel: Aus über 1.000 Kriterien der EU-Nachhaltigkeitsberichte haben wir 54 herausgefiltert, etwa zu Gebäudetechnik, Materialwahl oder Integration von Solaranlagen. So können unsere Mitglieder konkret starten, ohne von der Masse der Anforderungen erschlagen zu werden.
Als Geschäftsstellenleiterin koordinieren Sie die Aktivitäten des Netzwerkes. Wie gestaltet sich Ihr Aufgabenfeld konkret?
Fuchs: Meine Hauptaufgaben sehe ich in drei Bereichen: Trends beobachten, Informationen bündeln und weitergeben sowie Veranstaltungen organisieren, die Menschen ins Gespräch bringen. Ein Beispiel dafür ist unser Lösungsgenerator, der bei der Cross-Cluster-Woche eingesetzt wurde und Unternehmen neue Impulse für konkrete Problemstellungen liefert.
Zudem kümmere ich mich um die Öffentlichkeitsarbeit. Unsere Mitglieder haben großartige Produkte und Dienstleistungen, und ich sorge dafür, dass diese sichtbar werden.
Wie fördert ELMUG den Technologietransfer und welche Projekte oder Veranstaltungen gibt es aktuell?
Fuchs: Batterietechnik ist ein riesiges Zukunftsfeld, und wir sind über die Messtechnik direkt beteiligt, denn jede Batterieproduktion braucht Überwachung bezüglich Temperatur, Belastung und Haltbarkeit. Im Rahmen von BatterieMD haben wir einen modularen Weiterbildungskatalog entwickelt – von Grundlagen über Sicherheit bis Recycling – sodass Unternehmen gezielt die benötigten Kompetenzen aufbauen können. Grundlage war eine Bedarfsanalyse der Unternehmen.
Zudem informieren wir Unternehmen in Veranstaltungen über den digitalen Produktpass, der ab 2027 verpflichtend wird. Mit unserem Format „elmug4future“ bieten wir außerdem einen Branchentreff; dieses Jahr steht „Messtechnik für Life Science“ in Kooperation mit medways e.V. auf dem Programm.
Welche Bedeutung haben Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz für die Elektronik, Mess- und Gerätetechnikbranche und wie greift ELMUG diese Themen auf?
Fuchs: Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz sind für uns zentrale Anliegen. Ein Beispiel ist Retrofit: Alte Maschinen werden mit Sensorik ausgestattet, sodass sie weiterlaufen können, statt verschrottet zu werden. Das spart Ressourcen und Kosten. Viele unserer Mitglieder entwickeln Lösungen, die Energieeffizienz steigern oder erneuerbare Energien in Produktionsprozesse integrieren – von smarter Gebäudetechnik bis zu cloudbasierten Lösungen für digitales Energiemanagement.
Sie arbeiten beim Industrieforum „Smarte Fertigung“ mit Partnern wie dem Thüringer Zentrum für Maschinenbau, dem Mittelstand-Digital-Zentrum Ilmenau und „Innovativ Thüringen“ der LEG zusammen. Was macht diese Zusammenarbeit besonders wertvoll?
Fuchs: Das Wertvolle ist, dass wir es wirklich gemeinsam machen – nicht nur nebeneinander, sondern miteinander: Themen entwickeln, Termine abstimmen, Einladungen versenden. So entstehen Veranstaltungen mit größerer Reichweite und mehr interessierten Teilnehmern. Gleichzeitig erleben wir gegenseitige Unterstützung und Wertschätzung, die zeigt, dass wir mit Herausforderungen nicht allein sind.
Fachkräftesicherung ist für viele Unternehmen zentral. Welche Initiativen, auch abseits von BatterieMD, nutzt ELMUG, um seine Mitglieder bei Gewinnung und Qualifizierung von Fachkräften zu unterstützen?
Fuchs: Eine Initiative sind die Jugendunternehmenswerkstätten. Momentan arbeiten wir mit ein bis zwei Schulen in Ilmenau zusammen. Im Technologie- und Gründerzentrum Ilmenau betreuen wir Seminarfacharbeiten gemeinsam mit unseren Mitgliedsunternehmen und vermitteln so wertvolle Kontakte in die regionale Wirtschaft. Besonders schön war das Feedback einer ehemaligen Schülerin, die Jahre später für ihre Bachelorarbeit wieder auf uns zukam – ein Beleg, dass sich das Engagement lohnt.
Die ELMUG eG ist Gründungsmitglied der Cross-Cluster-Initiative Thüringen (CCIT), einem Verbund aus Thüringer Netzwerken unterschiedlicher Branchen. Wie gelingt die Zusammenarbeit?
Fuchs: Mit der CCIT vernetzen wir uns mit anderen Clustern, etwa aus Maschinenbau, IT oder Medizintechnik. Die Unterschiede sind oft kleiner, als man denkt. Viele Herausforderungen betreffen uns alle – Fachkräftemangel, Energiekosten, Digitalisierung. Die CCIT schafft einen vertrauensvollen Rahmen, in dem sich Expertinnen und Experten austauschen können. Ich nutze gern das Bild des „Diamanten“: An den Ecken sitzen die Experten, doch Innovation entsteht in den Diagonalen, wenn unterschiedliche Disziplinen zusammentreffen.
Welche gemeinsamen Themen oder Trends wollen die Cluster in Thüringen künftig verstärkt gemeinsam angehen?
Fuchs: Entscheidungen werden gemeinsam getroffen. Sicher ist aber: Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Energiepreise und Fachkräftesicherung stehen oben auf der Liste. Diese Themen tauchen in allen Clustern auf und werden gemeinsam bei Veranstaltungen wie der CCIT-Woche behandelt.
Blicken wir fünf bis zehn Jahre voraus: Welche Rolle wird ELMUG als Cluster für die Elektronik- und Messtechnikbranche in Thüringen künftig spielen?
Fuchs: In den nächsten zehn Jahren soll ELMUG der führende Knotenpunkt für Elektronik, Robotik, KI und Automatisierung und die erste Anlaufstelle für Politik, Forschung und Industrie sein. Ein besonderes Anliegen ist mir der Aufbau eines Living Labs, in dem neue Technologien sichtbar werden und erprobt werden können. Geplant ist außerdem, ein digitales Matching-System zu entwickeln, das Partner und Fachkräfte schneller zusammenbringt, und wir setzen uns dafür ein, Spin-offs zu fördern und internationale Unternehmen in unsere Region zu holen. Genauso wichtig ist mir die soziale Verantwortung: Unsere Unternehmen engagieren sich sichtbar in der Region und Gesellschaft und tragen so zu einer nachhaltigen Zukunft bei.
Frau Fuchs, vielen Dank für das interessante Gespräch!
Teilen
Autor

Referentin Research & Content Management
Kommentare
keine Kommentare vorhanden
Kommentar schreiben
* Pflichtfelder