Mit rund 20 Millionen Euro soll das neue Bauhaus.MobilityLab bis 2023 zu einem Leuchtturm der Mobilitäts- und Energiewende in Erfurt werden. Mit dem Aufbau des Reallabors beschäftigt sich Frank Schnellhardt, Jahrgang 1971. Eine komplexe Herausforderung, sagt der studierte Diplom-Kaufmann. Er ist seit 20 Jahren als Innovationsberater für den Thüringer Mittelstand tätig.
Herr Schnellhardt, welche Innovation hat Sie im letzten Jahr beeindruckt?
[Lacht] Wenn ich ihnen jetzt von einer weltweit wichtigen Innovation erzähle, reagieren meine Kunden sauer, weil ich keine aus Thüringen nenne. Nehme ich eine von hier, fragen sich einige bestimmt, ob Thüringen der Nabel der Welt sei.
Fällt es also schwer, eine konkrete Innovation herauszugreifen?
Ja! Daher will ich ihre Frage anders beantworten: In den letzten Jahren haben mich Innovationen im Bereich der Elektromobilität sehr geprägt. Im Automobilsektor klassischer Prägung galt Deutschland bisher als Maßstab – doch die hiesigen Autokonzerne haben die Umstellung auf E-Mobilität lange nicht kommen sehen. Tesla etwa hat bei den Antriebstechnologien weit die Nase vorn. Es erfordert nun einen großen Kraftakt, diesen enormen Vorsprung wieder aufzuholen.
Das heißt mit starken Innovationen können Newcomer ganze Branchen aufmischen und etablierten Flaggschiffen der Industrie das Fürchten lehren?
Vor allem, wenn die Innovationen disruptiv sind – und Entwickler mit einer komplett neuen Sichtweise an ein Produkt herangehen. Beispielsweise sieht der Tesla-Gründer Elon Musk das Auto nicht als Fahrzeug, sondern als internetfähiges Gerät, in dem wir uns fortbewegen.
Sie verstehen sich als Full-Service-Innovationsberatung für den Thüringer Mittelstand. Mit diesem Angebot sind Sie nicht allein am Markt. Was zeichnet Ihre Beratungsfirma aus?
Wenn man so will, sind wir die externen Innovations- und Projektmanager für kleine und mittlere Betriebe – branchen- und technologieübergreifend. Unserer Philosophie entsprechend – Visionen kreativ managen – unterstützen wir regionale Unternehmen bei der Realisierung ihrer Ideen bis zum Markterfolg. Das, was uns am meisten auszeichnet, sind unsere Kreativität, Umsetzungsorientierung und unsere Erfahrungen: Seit 20 Jahren sind wir am Markt und haben mehr als 250 Projekte umgesetzt.
Sie begleiten komplexe technische Innovationen – etwa für die Elektromobilität oder die Optikindustrie. Was machen für Sie gute Innovationen aus?
Grundsätzlich: Wer seine Leistungen und Geschäftsmodelle nicht ständig hinterfragt und durch neue ersetzt, bleibt zurück. Ich muss mich quasi täglich neu erfinden. Allerdings müssen die Erfindungen auch zum Unternehmen und seinen Visionen passen. Wir haben die Erfahrung gemacht, je weiter eine Innovation vom Kerngeschäft des Unternehmens entfernt ist, umso mehr steigt deren Floprate. Ergo korrespondieren gute Innovationen immer mit der eigenen Unternehmensentwicklung – step by step.
Gemeinsam mit Wissenschaftlern wollen Sie innovative Angebote zur Mobilität, Logistik und Energieversorgung im Bauhaus.MobilityLab testen. Erzählen Sie uns mehr von dem neuen Leuchtturm-Projekt, dass im Frühjahr 2020 an den Start gehen wird.
Vereinfacht gesagt, wollen wir innovative Angebote aus den Bereichen Mobilität, Logistik und Energie in Erfurt an den Start bringen und beobachten, wie sich das Nutzungsverhalten dadurch verändert. Wir lassen also die Zukunft im Zeitraffer ablaufen und Erfurt wird zum Inkubator für das künftige Mobilitätsverhalten in urbanen Zentren. Mit diesem Wissen können dann gezielter neue Dienstleistungen entwickelt und auf den Markt gebracht werden.
Können Sie das an einigen Beispielen näher erläutern?
Das als Reallabor oder Living Lab bezeichnet Konzept ist eine neue Methode des Innovationsmanagements zur Prognose disruptiver Entwicklungen und soll mit Methoden der Künstlichen Intelligenz (KI) umgesetzt werden. Es geht beispielsweise um Fragen, wie Verkehr intelligenter gesteuert werden kann, um Innenstädte zu entlasten. Wo sollten Mobilitätsstationen eingerichtet werden, um Autos, Fahrräder oder E-Roller gemeinsam zu nutzen? Kurz, wir können nicht genau sagen, wohin sich die Mobilität entwickeln wird. Wir können sie aber live erproben – wie bei einem Prototypen für die Stadt der Zukunft.
Geplant ist eine IT-Plattform, in der umfangreiche Mobilitätsdaten durch KI-Technologien automatisiert analysiert werden sollen? Was hat es damit auf sich?
Jedes Labor braucht eine Technik zur Organisation, Abwicklung und Beobachtung dessen, was erprobt werden soll. Mit der Plattform BML-EcoSys soll diese IT-Lösung geschaffen werden, um vorhandene und neue Mobilitätsdaten, wie etwa aus Ampelanlagen, Wetterstationen oder Aktivitätsstatistiken neuer Mobilitätsdienstleistungen nutzen zu können. Neu am Bauhaus.MobilityLab ist die Vernetzung dieser Infrastrukturen – sozusagen eine Verknüpfung aller Informationen über Sektorengrenzen hinweg.
Und was machen Sie mit den gewonnenen Erkenntnissen?
Zum einen können wir künftige Mobilitätsangebote schon heute ausprobieren und beobachten, wie sich dies auf die Anwender in der Praxis auswirkt. Zum andern können wir mit den Informationen Alternativen für Nutzer, also die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Erfurt, sowie Dienstleister aufzeigen – als Basis für experimentelle Innovationen in den Bereichen Mobility as a Service, Klimaschutz, Quartiers- und Verkehrslogistik sowie Energiemanagement in Stadtbezirken.
Welche Rolle nimmt die INNOMAN im Bauhaus.MobilityLab ein?
Wir haben aktuell elf Partner in dem europaweit vernetzten Konsortium aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik sowie der Landeshauptstadt Erfurt, die das Kernteam bilden. Der Konsortialführer, die Fraunhofer Gesellschaft, kümmert sich um die IT-Plattform. Der zweite Schlüsselpartner, die Bauhaus Universität Weimar, wird intelligente Mobilitätsangebote beispielhaft entwickeln. Und wir als INNOMAN verantworten den Aufbau des Reallabors im Erfurter Brühl.
Warum hat man sich für das Erfurter Brühl als Standort entschieden?
Erfurt gilt als zentraler Verkehrsknotenpunkt, allein durch die geografische Lage, den ICE-Bahnhof und das Autobahndrehkreuz. Den Brühl haben wir gemeinsam mit dem Thüringer ClusterMangement (ThCM) ausgewählt, weil es sich um ein komplett neues Quartier handelt. 1990 erbaut, bietet es eine moderne als auch flexible Infrastruktur, an die wir mit unserem Projekt ideal andocken können.
Inwieweit hat sie das ThCM noch unterstützt?
Das ThCM war in vielerlei Hinsicht Türöffner für Kontakte in das Thüringer Wirtschaftsministerium, die Stadtverwaltung Erfurt und zu Branchennetzwerken. Weiterhin unterstützt uns das ThCM bei der Gewinnung von Praxispartnern für das neu entstehende Reallabor, damit es sich als Geschäftsmodell auch nach Ende der dreijährigen Förderperiode wirtschaftlich trägt.
Was muss passieren, damit Sie am Ende ein positives Fazit für das Projekt ziehen können?
Wir werden ab April 2020 mit ersten Tests starten, Infrastrukturen aufbauen, Befragungen für Vorher-Nachher-Betrachtungen mit den Anwohnern durchführen. Erfolgreich wäre es für uns, wenn wir nach den drei Jahren Forschungsprojekt neue Mobilitätsdienstleistungen in Erfurt auf ihre Akzeptanz hin erproben konnten, intelligente Innovationen entwickelt haben und weltweit genügend Kunden für das Reallabor akquirieren konnten, damit es auch ohne Fördergelder lebensfähig bleibt.
Interview: www.textdepartment.com
INNOMAN GmbH
- Branche: Innovationsberatung
- Mitarbeiter: 7
- Leistungen: Full-Service-Beratung für externes Innovationsmanagement.
- Kunden: Kleine und mittlere Unternehmen aller Branchen in Thüringen
- Standorte: Ilmenau
- Gründung: 2001
- Webseite: www.innoman.de
Zukunftsprojekt Bauhaus.MobilityLab
- Branche: Mobilität, Logistik, Energie und IT (Künstliche Intelligenz)
- Leistungen: Entwicklung und Erprobung innovativer Produkte und Dienstleistungen
- in den Bereichen Mobilität, Logistik und Energie mithilfe Künstlicher Intelligenz
- Partner: Interdisziplinärer Verbund von Forschungsinstituten, Industriepartnern,
- Unternehmen sowie Hochschulen und der Landeshauptstadt Erfurt
- Standort: Erfurt
- Förderlaufzeit: 2020 bis 2023
- Fördervolumen: 20 Millionen EUR
- Webseite: www.bauhausmobilitylab.de
Vorschau
Im nächsten InnovationsInterview stellen wir Ihnen Chris Schiller vor. Er ist Geschäftsführer der Pflegeplatzmanager GmbH aus Greiz. Das junge und aufstrebende Startup aus Thüringen arbeitet an einer deutschlandweiten digitalen Plattformlösung für das Aufnahme-, Entlass- und Überleitmanagement im Pflegebereich.
Bildquellen:
INNOMAN-Geschäftsführer: ©Textdepartment/Holger Dabow
Partnerallianz: ©Bauhaus.MobilityLab
Innovationen: ©Rawpixel_unsplash.com