Herr Berghof, was genau bietet Berghof Systeme seinen Kunden an?
Unternehmen nutzen heute zig Softwarelösungen – von der Buchhaltung über das Personalmanagement bis zur Produktion in der Werkshalle. Doch das sind alles Insellösungen, und der Nutzer muss ständig von System zu System springen, wenn er damit arbeiten möchte. Wir haben deshalb eine sogenannte Middleware entwickelt. Sie ist wie ein Mantel, der sich um alle Softwarekomponenten legt, sie miteinander verbindet und in einer Lösung abbildet. Zudem können wir damit auch einen digitalen Zwilling erstellen. Aber dazu kommen wir später sicherlich noch.
Wenn viele Systeme miteinander verknüpft werden, gibt es automatisch unzählige Stellschrauben, an denen man Abläufe oder Daten verbessern könnte. Wie kann man angesichts dieser Vielfalt gezielt an Innovationen arbeiten?
Indem man der Spur des Geldes folgt. Das klingt vielleicht nicht charmant, doch Erfolg misst sich nun mal in Zahlen. Wir müssen für unsere Kunden Gewinne maximieren und nachweisen, dass unsere Arbeit etwas bringt. Also schauen wir auf jedes Detail und optimieren es. Es ist die ständige Suche nach dem heiligen Gral. Das sagt sich so einfach – ist aber extrem kompliziert in der Umsetzung
Wie kann man einem Kunden dann bei aller Komplexität solch eine Leistung erläutern?
Indem man sie ihm gut verständlich erklärt – und aus seinem Verständnis dann Begeisterung entsteht. Ich bin zum Beispiel ein Fan von bildhaften Modellen. Ein Bild reduziert Komplexität und überfordert deshalb den Kunden nicht.
Alle Welt redet von Industrie 4.0 und Big Data. Ist wirklich die Menge an gewonnenen Daten in Ihrem Business der Erfolgsfaktor Nummer 1?
Nein. Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder man fragt sich, wie man zum Beispiel alle Daten einer Maschine auswerten kann. Oder man versucht, mit Hilfe von Daten in die Zukunft zu blicken. Das ist unsere Stärke. Wenn ein Kunde eine neue Maschine plant, nehmen wir diese Planungsdaten, simulieren damit die Maschine und prüfen, was sie für ein Gesamtsystem bedeutet. Wir erstellen also einen digitalen Zwilling eines Systems und spielen mit ihm unterschiedliche Situationen durch. Das Ergebnis: Wir erkennen dadurch kommende Störungen, bevor sie eintreten. Sobald ein Konstrukteur dann Schritt für Schritt konkretere Daten liefern kann, übernehmen wir sie, und unsere Prognose wird immer exakter. Das braucht natürlich viel IT-Performance, weil wir erst mit Planungsdaten und später konkreten Daten arbeiten. Aber lieber hat man viele Daten als viele Fehlermeldungen.
Und so erhält ein Kunde dann am Ende das perfekte und fehlerfreie System?
Theoretisch hat man dann die perfekte Software und einen perfekten Ablauf. Und trotzdem: Irgendetwas funktioniert nicht. Denn es gibt immer Leute in einem Team, die eine Entscheidung nicht treffen. Dafür gibt es unterschiedliche Gründe: „Ich habe andere Prioritäten.“ „Für den Meier mach ich das nicht.“ „Ich weiß nicht, was ich tun soll – also mach ich am besten gar nichts.“ Das Problem: Eine nicht getroffene Entscheidung schädigt den gesamten Prozess.
Wie kann man das beheben?
Indem man die Leute mitnimmt. Bei einer Software heißt das, dass man Mitarbeitende auf die Lösung schulen muss. Bei einer Unternehmensentwicklung bedeutet das, dass man den Mitarbeitenden Rollen und Verantwortlichkeiten zuweist, damit sie wissen, was sie zu tun haben. Wissensmanagement ist die zentrale Ressource!
Und dann wird’s etwas mit dem Erfolg?
Noch nicht ganz. Denn der Detailgrad unserer Informationen ist heutzutage zu hoch. Wir können mit IT heute alles vorhersagen. Aber man braucht Menschen, die führen können. Die brauchen aber Überblick und Verständnis statt Detailtiefe. Nur dann können sie führen und delegieren. Gelingt das nicht, reißt man einen geplanten Meilenstein nach dem anderen um und gefährdet am Ende den Erfolg eines Unternehmens.
Perfekte Planung als Fallschirm vor der Pleite, könnte man sagen ...
Jeder, der sich mit Planung befasst, hat Angst vor ungeplanter Arbeit. Da hat man den Tag und die Woche so schön getaktet, und dann kommt jemand und will etwas anderes. Und zwar dringend. Aber mit welcher Zeit? Wenn sie aufgebraucht ist, gibt es keine Wertschöpfung. Deshalb suchen wir als Dienstleister wie verrückt nach ungeplanter Arbeit und versuchen sie planbar zu machen.
Apropos Arbeit: Sie haben Ihren Hauptstandort in Königsee. Mancher würde sagen: Mitten im Nirgendwo. Ist es da nicht aussichtlos, gutes Personal aufs Thüringer Land zu lotsen?
Wir haben keine Probleme mit Fluktuation oder der Besetzung von Stellen. Denn wir bilden seit 15 Jahren selbst aus. Früher haben wir Leute aus aller Herren Ländern eingestellt – und wenn die dann ein Jobangebot aus der Heimat bekamen, waren sie wieder weg. Deshalb haben wir eine eigene Lehrlingsausbildung und Berufsakademieausbildung auf die Beine gestellt, professionelle Lehrpläne entwickelt und Fachleute an die Umsetzung gesetzt.
Mit welchem Resultat?
Mit dem Ergebnis, dass junge Menschen ins Unternehmen hineinwachsen und zugleich andere junge Menschen anziehen. Man muss sie formen, ihnen Praxis vermitteln, sie unter Leistungsdruck setzen und an Erfolgen beteiligten. Das macht sie stark und bindet sie stärker an das Unternehmen.
Ist der Aufwand hinter einer eigenen Ausbildung nicht immens?
Ist er. Es ist sogar ein Kampf. Aber jammern hilft nichts. Sonst würden wir Personal aus anderen Ländern holen, während unsere eigenen jungen Leute abwandern. Für das Bundesland, seine Regionen und die Unternehmen wäre das der GAU.
Stichwort Bundesland: Wie nah sind Sie an der LEG Thüringen?
Die Zusammenarbeit ist sensationell. Das Thüringer ClusterManagement bei der LEG Thüringen setzte sich im Diskurs auch mit der TU Ilmenau in Person von Professor Bergmann und uns auseinander, um unsere Meinung zu Konzeptansätzen zu erfahren. Wir sagten: Fokussiert nicht auf Branchen oder Produkte – unterstützt Netzwerke und Kollaborationen! So entstanden virtuelle Zusammenschlüsse von Unternehmen, die sich ihre Ressourcen und Kapazitäten teilen.“
Was ist der Sinn dahinter?
Der Sinn dahinter ist Realitätssinn. In Thüringen oder Deutschland können wir nicht Kostenführer sein, weil Unternehmen in anderen Ländern billiger produzieren als wir. Aber Innovationsführer können wir werden. Dafür braucht es ein Klima, in dem kleine Unternehmen schnell, flexibel und gemeinsam handeln können. Bei der Entwicklung dieser Vision ist die LEG Thüringen ganz nah mit dabei, hat hervorragende Anregungen, stellt kritische Fragen und dreht die richtigen Rädchen zur richtigen Zeit.
Herr Berghof, vielen Dank für das Gespräch!
Interview: Lutz Leukhardt (www.texterkolonie.de)
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